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Wie Ärzte die Ursache für Schmerzen finden

11.02.2022

Im Gespräch mit Chefärztin Dr. Katrin Colinas-Winkler. Dr. Katrin Colinas-Winkler ist Chefärztin der Anästhesiologie, operativen Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Krankenhaus Wermelskirchen.

Frau Dr. Colinas-Winkler, wie kann man Schmerz definieren?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Ganz grundsätzlich ist Schmerz ein individuelles und subjektives Erleben eines körperlichen Phänomens. Die International Association for the Study of Pain (IASP) definiert Schmerz so: „Ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder mit den Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“ Man unterscheidet dabei zwischen akuten Schmerzen, die etwa durch operative Maßnahmen auftreten, und chronischen Schmerzen. Letztere entwickeln sich aus einem akuten Schmerz oder einer chronischen Schmerzkrankheit, die länger als sechs Monate andauert, was wiederum unterschiedliche Gründe haben kann. So etwa bei Verschleißerkrankungen des Bewegungsapparates, durch Gefäßerkrankungen, durch neuropathische Schmerzen sowie Tumorerkrankungen.

Wo entsteht Schmerz?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Schmerz entsteht durch die Weiterleitung des Impulses über die Nervenbahnen bis zum Gehirn. Er entsteht zunächst an der Stelle, an der sich etwa eine Wunde befindet, der Impuls wird dann über das Rückenmark zum Gehirn weitergegeben, wird dort verarbeitet und damit fühlbar. Durch akuten Schmerz wird übrigens auch der Fluchtreflex ausgelöst – man kennt das: Wenn man auf die heiße Herdplatte fasst, zuckt man zurück und will möglichst weg weit davon weg sein. Somit ist der akute Schmerz auch als Warnsignal zu verstehen, um dem drohenden schädlichen Einfluss zu entgehen. Akute Schmerzen klingen in der Regel nach einem überschaubaren Zeitraum von Tagen bis Wochen ab.

Wie behandelt man Schmerzen?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Wenn man sich auf der Operationsebene befindet, ist es so, dass wir schon im Vorfeld mit dem Patienten durchgehen, was ihn bei der Operation erwartet. Wir planen also im Vorfeld das Narkoseverfahren, die Medikation und damit die Schmerztherapie. Diese wird zum Teil bereits vor der Operation begonnen, während des Eingriffs fortgesetzt und dann gegebenenfalls auch noch danach weiter verabreicht – etwa im Aufwachraum und auf der Station. Dabei gehen wir nach einem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation vor. Demnach gibt es drei Stufen – nichtopioide, schwach opioide und stark opioide Schmerzmedikamente sowie Co-Analgetika, die in Abhängigkeit der Schwere der Operation einzeln oder in der Kombination gegeben werden.

Gibt es auch Schmerzen, die man nicht behandeln kann?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Ja, das gibt es auch, wenn etwa seelische Faktoren mit hineinspielen, die der Auslöser für den Schmerz sind. Das bedeutet, dass die Ursachen für den Schmerz nicht in einer physischen Verletzung begründet liegen, sondern durch psychische oder auch traumatische Ereignisse hervorgerufen werden.

Kann man in solchen Fällen dann überhaupt etwas machen?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: In solchen Fällen muss man den Patienten ganzheitlich betrachten und andere Abteilungen und Professionen mit ins Boot holen – etwa die Psychotherapie, Stressbewältigung oder progressive Muskelentspannung und weitere. Diese müssen dann mit in die Behandlung des Patienten einbezogen werden.

Was muss man sich unter einer Schmerztherapie vorstellen?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Nehmen wir das Beispiel des Kopfschmerzes: Solange dieser ein singuläres Erleben ist – und bleibt –, braucht man keine Schmerztherapie. Dann genügt auch eine Kopfschmerztablette. Wenn der Schmerz sich aber verselbstständigt und über einen langen Zeitraum besteht – dann wird der Schmerztherapeut nachforschen: Wo ist die Ursache für den Schmerz? Ist es krankheitsbedingt? Ist es psychisch bedingt? Welche Form des Schmerzes ist es – dumpf, einschießend, brennend oder stechend? Und danach richtet sich dann die Therapie. Immer natürlich unter Zuhilfenahme der bereits erwähnten anderen Abteilungen oder Professionen. Dann spricht man auch von einer multimodalen Schmerztherapie.

„Wenn Schmerzen etwa unterschätzt oder unzureichend therapiert werden, dann kann sich der Schmerz bis zum chronischen Zustand hin verstärken.“

Welche Ursachen gibt es für chronische Schmerzen?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Wenn Schmerzen etwa unterschätzt oder unzureichend therapiert werden, dann kann sich der Schmerz bis zum chronischen Zustand hin verstärken. Ähnliches gilt etwa auch dann, wenn man Angst vor irgendwelchen Nebenwirkungen von Medikamenten hat – und sie dann nicht in der vorgeschriebenen Form nimmt. In solchen Fällen können Schmerztherapien notwendig werden und in der Behandlung auch greifen. Aber natürlich ist es auch gerade wegen der Gefahr der Ausbildung chronischer Schmerzen so wichtig, eine profunde akute Schmerztherapie – eben hier bei uns im Krankenhaus und vor sowie während der operativen Eingriffe – zu machen. Damit es eben gar nicht erst soweit kommen kann.

Wann spricht man von Phantomschmerzen?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Diese Form des Schmerzes bezieht sich nur auf nicht mehr vorhandene Gliedmaßen nach Amputationen. Wenn ein solcher schwerer Eingriff ansteht, muss man eine besonders ausführliche Schmerztherapie ansetzen – etwa, indem man ein Katheterverfahren zur Unterstützung nutzt. Das bedeutet, dass, je nachdem, welche Extremität von der Amputation betroffen ist, entweder über ein rückenmarksnahes Katheterverfahren oder ein peripheres Katheterverfahren ein Lokalanästhetikum gegeben wird – damit wird die Schmerzleitung ins Gehirn vorübergehend blockiert. Dabei wird also nicht der Schmerz an sich bekämpft, sondern die Weiterleitung und Verarbeitung des Impulses ins Gehirn und damit die Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses verhindert.

Wie groß ist die Gefahr einer Abhängigkeit von Schmerzmitteln?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Wir schreiben in jedem Fall Entlassbriefe, die den Patienten nach ihrem Aufenthalt im Krankenhaus mit nach Hause gegeben werden. Diese Briefe richten sich dann an die Hausärzte und es steht nicht nur das darin, was im Krankenhaus gemacht wurde, sondern auch, mit welcher Dosierung welcher Medikamente der Patient entlassen wurde. Und sollte der Patient opioide Medikation bekommen haben, dann muss natürlich nach und nach eine Entwöhnung erfolgen, um eben einer Abhängigkeit entgegenzuwirken. Wir versuchen allerdings, das auch schon nach Möglichkeit im Krankenhaus zu beginnen – aber letztendlich übernimmt das der Hausarzt. Man muss aber ein Auge auf die Medikation haben, weil es durchaus den einen oder anderen Fall gibt, in dem sich so etwas verselbstständigt. Man kommt an diese opioidhaltigen Schmerzmittel allerdings auch nicht so einfach ran, da sie verschreibungspflichtig sind, so dass das Ausschleichen des jeweiligen Medikaments immer in hausärztlicher Begleitung erfolgen wird.

Kann man auch von vermeintlich harmlosen Mitteln – Aspirin oder Paracetamol – abhängig werden?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Nein. Wer hin und wieder zu Schmerzmitteln, etwa Ibuprofen, greift, um Kopf- oder Rückenschmerzen zu lindern, wird nicht gleich süchtig. Ein bis zwei Tabletten bringen den Betroffenen für ein paar Stunden Linderung. Aber dieser Effekt kann nachlassen. Dann müssen stärkere Medikamente eingesetzt werden. Diese opiodhaltigen und verschreibungspflichtigen Schmerzmittel können bei Langzeiteinnahme zur Schmerzmittelabhängigkeit führen.

Sollte man Schmerzen auch einmal „einfach aushalten“?

Dr. Katrin Colinas-Winkler: Doch, das sollte man auf jeden Fall auch tun. Nehmen Sie wieder den Kopfschmerz – den hat schließlich jeder mal. Und dafür ist noch lange keine Schmerztherapie nötig – und auch nicht immer die Gabe eines Schmerzmedikaments. Man muss es eben immer im Auge behalten. Wenn man etwa Migränepatient ist, wird man den Schmerzverlauf mit einem Tagebuch betrachten. Das sollte man übrigens ganz grundsätzlich machen, wenn man öfters ähnlich gelagerte Schmerzen hat. Denn sollte es sich zu einer chronischen Geschichte entwickeln, kann man diese auslösenden Momente dem später behandelnden Arzt mitteilen und muss somit nicht ganz von vorne beginnen.

Quelle: Remscheider General-Anzeiger (11.02.2022)

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