19.11.2021
Die 30-jährige Imren Er berät im Krankenhaus Wermelskirchen Patientinnen und Patienten zu ihrer Diabeteserkrankung und berichtet, warum man trotz einer Diabetes-Diagnose ein gesundes Leben führen kann.
Frau Er, können Sie kurz erklären, worum es sich bei Diabetes handelt?
Imren Er: Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Man spricht dabei von einer Insulinresistenz. Das bedeutet, dass Insulin von den Betroffenen nicht richtig verarbeitet werden kann, im Stoffwechsel also nicht richtig wirken kann – oder gar nicht erst richtig gebildet werden kann. Dann spricht man von einem Insulinmangel. Der Körper hat also zu wenig Insulin, das er aber braucht.
Welches Organ im Körper ist hierbei betroffen?
Er: Es sind sowohl ein Organ als auch die Körperzellen betroffen. Die Bauchspeicheldrüse kann von alleine nicht mehr in ausreichender Menge Insulin produzieren. Auf der anderen Seite sind es aber die Zellen, die das Insulin nicht richtig aufnehmen können.
Welche Symptome hat man als Betroffener?
Er: Leider ist es so, dass die meisten Patienten erst relativ spät etwas in Form von Symptomen bemerken. Die häufigsten Symptome sind: Müdigkeit, vermehrtes Durstgefühl, vermehrter Harndrang, Kraft- und Lustlosigkeit, manche Patienten berichten auch von Kopfschmerzen.
Man könnte es also auch mit „normaler“ Erschöpfung verwechseln?
Er: Ja, das ist richtig. Viele Patienten nehmen die Symptome auch gar nicht wahr – im Sinne von, dass sie an etwas wie Diabetes denken würden. Dann ist es im Sommer das heiße Wetter, das für die Symptome sorgt, oder es gibt ganze andere Faktoren, die die Ursache sein könnten.
Wie wird Diabetes denn dann diagnostiziert?
Er: Das geschieht durch eine Blutentnahme, bei der dann ein vorhandener Diabetes festgestellt werden kann. Es gibt zudem die Möglichkeit, einen spontanen Blutzuckerwert zu messen – oder man macht eine Langzeitmessung, den sogenannten HbA1c-Wert, der einen zusätzlichen Überblick über die Werte gibt.
Welche Risikofaktoren gibt es?
Er: Ein wichtiges Kriterium ist hier das Übergewicht. Dazu kommen schlechte – im Sinne von ungesunde – Ernährung und Lebensweise sowie eine etwaige genetische Vorbelastung des Patienten. Alkohol und Nikotin spielen bei Diabetes-Risikofaktoren übrigens eine eher untergeordnete Rolle. Natürlich – landläufig spricht man ja auch von der „Zuckerkrankheit“ – ist eine zu zuckerhaltige Ernährung ebenfalls ein großer Risikofaktor.
„Oft wird der Diabetes im Rahmen einer Check-up- Untersuchung eher zufällig entdeckt.“
Gibt es auch bestimmte Risikogruppen?
Er: Die bereits erwähnten übergewichtigen Menschen gehören auf jeden Fall zur Diabetes-Risikogruppe. Aber auch Menschen, die wenig Bewegung in ihrem Alltag haben – etwa, weil sie im Beruf überwiegend hinter ihrem Schreibtisch sitzen müssen –, haben ein höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken. Die Kombination aus wenig Bewegung und schlechter Ernährung – viel Fast Food beispielsweise – ist eine sehr ungünstige. Insgesamt kann man sagen, dass ein ungesunder Lebenswandel begünstigend für eine Diabetes-Erkrankung ist. Nicht zuletzt steigt das Risiko, Diabetes zu bekommen, auch mit zunehmendem Alter.
Ist Diabetes eine Zivilisationskrankheit?
Er: Mittlerweile kann man das schon sagen, ja. Diabetes ist eine Volkskrankheit – denn in Deutschland leiden fast acht Millionen Menschen an einer Diabetes-Erkrankung.
Gibt es bereits frühe Warnsignale?
Er: Grundsätzlich gilt, dass die Symptome erst dann auftreten, wenn der Blutzucker schon deutlich erhöht ist. Man kann also nicht wirklich die Anbahnung der Erkrankung anhand von früher auftretenden Symptomen bemerken. Zwar gibt es Menschen, die auch schon bei einer nur leichten Erhöhung des Blutzuckers Symptome entwickeln. Da sie aber, wie bereits erwähnt, relativ unspezifisch sind, müssen sie einem dann nicht direkt auffallen. Oft wird der Diabetes im Rahmen einer Check-Up-Untersuchung eher zufällig entdeckt. Interessant ist hierbei, dass der gemessene Blutzuckerwert in aller Regel ein sehr sicherer Indikator ist.
Was heißt das?
Er: Wenn der Blutzuckerwert nüchtern gemessen wird und über 126 liegt, dann ist das ein manifester Diabetes – egal, ob man am Vorabend etwa ein reichhaltiges Essen hatte oder auch die Weihnachtsfeiertage mit mehreren üppigen und oft auch fettigen Mahlzeiten hinter einem liegen. Allerdings sollte man zur Diagnosesicherung dann auf jeden Fall auch eine Langzeit-Blutzuckermessung vornehmen. In die Irre führen könnte der Wert lediglich dann, wenn man unmittelbar nach einem Stück Sahnetorte oder einem Glas Cola den Blutzucker misst und der Wert dann über 126 liegt. Dann sollte man nach einigen Stunden noch einmal nachmessen, um sicherzugehen.
Wie sieht eine Therapie aus?
Er: Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wenn man von einer Erkrankung an Diabetes Typ 2 betroffen ist, geht es in allererster Linie darum, den Lebensstil zu ändern. Heißt: Mehr Bewegung und gesündere Ernährung. Es gibt auch die Möglichkeit, den Diabetes mit Tabletten einzustellen, die dritte – und vermutlich bekannteste – Möglichkeit ist dann die Gabe von Insulin über eine subkutane Injektion. Aber tatsächlich versucht man es zunächst über die Änderung des Lebensstils, um zu sehen, welche Ergebnisse das bringt.
Ist Diabetes insgesamt heilbar?
Er: Diabetes kann man alleine durch die Änderung des Lebensstils sicherlich nicht heilen, aber man kann den Blutzucker gut einstellen. Man spricht dann von einem „diätisch gut eingestellten Diabetes“. Dann muss man keine Medikamente nehmen oder Insulin zuführen, um ohne Einschränkungen und Symptome zu leben.
Kann man mit einer Diabeteserkrankung ein „normales“ Leben führen?
Er: Ja, das kann man. Wenn man sich an die Diät hält oder eben eine Medikation einnimmt, kann man trotz Diabetes ein ganz normales Leben führen.
Ist ein Leben mit Diabetes gleichzusetzen mit Entsagung und Verzicht?
Er: Ich sage immer, dass Diabetes gleichzusetzen ist mit Disziplin. Aber natürlich gibt es einige Faktoren, auf die Diabetiker verzichten sollten – aber letztlich gilt das doch für stoffwechselgesunde Menschen ganz genauso. Weil diese Faktoren eben nicht gesund für den Körper sind.
Wie sieht die Lebenserwartung bei an Diabetes erkrankten Menschen aus?
Er: Wenn der Diabetes beim Patienten erkannt ist und gut behandelt wird – Stichwort: diätische Einstellung, veränderter Lebenswandel –, gibt es keinen Grund, dass Diabetiker eine geringere Lebenserwartung hätten.
Glauben Sie, die Aufklärung in der Öffentlichkeit ist ausreichend?
Er: Ich glaube, man könnte in dieser Hinsicht mehr machen. Etwa durch verstärkte Information und Schulung darüber, welche Form der Ernährung warum gesünder ist – und was eine falsche Ernährung bewirken kann. Auch das Angebot der Check-up-Untersuchungen beim Hausarzt könnten durchaus von mehr Menschen angenommen werden, um eben den Diabetes im Falle des Falles möglichst früh erkennen zu können. Der Einzelne könnte sich auch selber ein wenig genauer betrachten, regelmäßige Gewichtskontrolle machen oder darüber reflektieren, was man in welcher Menge isst.
Diabetes
Quelle: Remscheider General-Anzeiger (19.11.2021)
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